Max von Pettenkofer             Chemische Kunststücke

1818 – 1901

Wir sind die Zauberer, die sie verbrannten,

Die Kobolde, die man hinabbeschwor:

Jetzt sich wir mächtiger als je zuvor,

Als sie mit Zittern unsern Namen nannten.

 

Das Gold, das keine Wünschelruten kannten,

Ziehn wir aus jeglichem Versteck hervor.

Uns traget Luft hoch in die Luft empor,

Mephistos Mantel gleich, dem ausgespannten.

 

Die Feuer Bakus, heilig einst befunden,

Wir lassen sie aus tausend Röhren schlüpfen,

Daß heller Tag bleibt in den Abendstunden.

 

Wir stürzen, ohne nur die Hand zu lüpfen,

Gebirge ein in wenigen Sekunden,

Daß fern im Meer die Trümmer niederhüpfen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Max von Pettenkofer             Sauerstoff

1818 – 1901

Die Alten ahnten Geister in den Lüften

Geheimnisvoll, unsichtbar uns umschwebend,

Die unsre Lungen trocknen sanft sie hebend,

Und still das Mark uns saugen aus den Hüften.

 

Erst hüllen sie sich ein in Rosendüften,

Und diese Atemzüge, wie belebend!

Dann pressen sie die Brust, den Tod uns gebend,

Und rauben selbst den Leichnam aus den Grüften.

 

Ihr Hauch entfacht des Feuers hell’re Glut,

Und glänzende Metalle trüben sie,

Zerstörend, was da lebt, im Übermut.

 

Doch heutzutage lehret die Chemie,

Daß alles das der Sauerstoff ja tut!

O Weisheit du! du Grab der Poesie!